Corporate Political Responsibility: Unternehmerische Verantwortung im Dienst der Demokratie
Unternehmen sollten stärker Verantwortung übernehmen und entsprechend handeln. Denn ob bewusst oder unbewusst: Sie agieren als politische Akteure. Darüber hinaus gilt: Wenn sich Unternehmen aktiv für die Demokratie einsetzen, profitieren auch sie selbst davon. Ihre Existenz ist auf ein stabiles und sicheres politisches System angewiesen.
Ein Beitrag zur aktuellen Debatte von Michael Seberich und Anna Henke
Durch den Krieg auf europäischem Boden und die dadurch sichtbaren geopolitischen Abhängigkeiten sowie radikalisierende Parteien und Wählergruppen droht unsere Demokratie zu erodieren. Wie kann dieser zunehmenden Tendenz extremer Kräfte begegnet werden? Während auf der Regierungsebene eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts erwogen wird und die Zivilgesellschaft gegen rechts auf die Straße geht, ergreift ein weiterer Akteur Position: die Wirtschaftsunternehmen.
Beispiele für Unternehmensinitiativen gegen rechts
Mehr als 30 große deutsche Unternehmen, darunter die Deutsche Bahn, die Deutsche Bank und Siemens, haben gemeinsam die Kampagne „Wir stehen für Werte“ gestartet, in der sie sich gegen Rechtspopulismus einsetzen und schon bei der Europawahl dazu aufrufen, demokratische Kräfte zu stärken. Im Rahmen der Initiative „Wirtschaftsappell“, initiiert vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, haben sich bereits über 600 Unternehmen für eine migrationsoffene und vielfältige Gesellschaft positioniert. Das VW-Kraftwerk in Wolfsburg schmückte ein Banner mit der Aufschrift „Volkswagen wählt Europa“. Die Ergebnisse einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen, dass sich jedes zweite Unternehmen öffentlich gegen die AfD stark macht. (vgl. Bergmann/Diermeier 2024) Und schließlich haben einige Wirtschaftsvertreter*innen in Reaktion auf das virale Sylt-Video, in dem mehrere junge Leute während einer Feier rassistische Parolen riefen, Stellung bezogen. Der ehemalige Siemens-Chef, Joe Kaeser, nennt es das „hässlichste Gesicht unseres Landes“.(vgl. LinkedIn Profil von Joe Kaeser)
Warum Unternehmen politische Verantwortung übernehmen sollten
Dass sich Unternehmen politisch äußern, ist ein jüngeres Phänomen. Der Fachbegriff dahinter nennt sich „Corporate Political Responsibility“ (CPR) und beschreibt das politische Engagement und die politische Verantwortung von Unternehmen. Als Gründe für CPR werden angeführt, dass Unternehmen als Arbeitgeber und Steuerzahler bereits politische Akteure sind und mit ihren Produkten und Dienstleistungen die Gesellschaft aktiv gestalten. Außerdem pflegen sie politische Kontakte, spenden an Parteien und begleiten Gesetzgebungsprozesse, bewegen sich also im Bereich der Lobby-Arbeit. (vgl. Bohnen, 2020: 2) Diese Ressourcen nicht nur für unternehmensinterne Zwecke einzusetzen, sondern auch für Demokratie und Vielfalt, scheint nicht verwerflich. Dies wird besonders deutlich, wenn die Tatsache berücksichtigt wird, dass in den weltweit hundert größten wirtschaftlichen Entitäten 69 Unternehmen und nur 31 Staaten vertreten sind. (vgl. We Forum 2016)

Unternehmen tragen eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Aufgrund internationaler Herausforderungen wie dem Klimawandel und Fluchtbewegungen steigt der Druck auf Regierungen, Antworten zu finden. Gleichzeitig verlieren sie das Vertrauen der Bevölkerung. Die Stabilität der demokratischen Institutionen ist nicht einfach gewährleistet, sondern auf konstruktives Engagement angewiesen. Dass die Positionierung von Unternehmen aus Sicht der Bürger*innen eine Rolle spielt, zeigt bspw. der Edelman Trust Barometer von 2024: Regierungen werden als weit weniger kompetent und ethisch eingeschätzt als Unternehmen . 86 Prozent der Menschen erwarten außerdem, dass sich Geschäftsführungen öffentlich zu sozialen Themen äußern.
Wirtschaftliche Vorteile des politischen Engagements
Das Eintreten für Demokratie und eine offene Gesellschaft ist auch unter Wirtschaftsaspekten relevant. Denn die Wirtschaft ist Rechtssicherheit und generelle Planungssicherheit durch Politik angewiesen, welche wiederum mit der Demokratie zusammenhängt. Diese Perspektive betonen auch die Geschäftsführungen mehrerer deutscher Großunternehmen. Laut dem Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sinken Direktinvestitionen in Deutschland, da die Stabilität der deutschen Demokratie in Frage gestellt wird. Außerdem betont er die Bedeutung des europäischen Binnenmarktes, des Euros und der Zuwanderung von Fachkräften, was durch populistische Parteien infrage gestellt werde. (vgl. laut der FAZ, Benjamin Wagener, 2024)
Es ist jedoch entscheidend, dass die Unterstützung einer demokratischen und offenen Gesellschaft nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Zum Beispiel plant die Wirtschaftsallianz „Wir stehen für Werte“ auch mit internen Diskussionsrunden, Workshops, Videobotschaften und Informationsveranstaltungen den Dialog mit den Mitarbeitenden zu fördern. Weitere Optionen des politischen Engagements wären öffentliche Stellungnahmen zu unternehmensrelevanten politischen Themen oder die Unterstützung von Organisationen und Initiativen, die demokratische Werte vertreten. (vgl. Reuter 2024)
Die Universität St. Gallen und die Beratung Scholz & Friends haben eine „Landkarte des Handelns“ entwickelt, die 17 konkrete Aktionsmöglichkeiten aufzeigt, wie Unternehmen aktiv für demokratische Werte eintreten können.[9] Genannt werden unter anderem die Weiterentwicklung von Unternehmenswerten, die Überprüfung von Stakeholder-Beziehungen und der Aufbau neuer Partnerschaften. Außerdem wird empfohlen, dass die Geschäftsführung öffentlich für eine demokratische Gesellschaft eintritt und die Mitarbeitenden zur Wahlbeteiligung ermutigt.
Konkrete Maßnahmen für Unternehmen
- Prüfung der Unternehmenswerte: Unternehmen sollten ihre Werte definieren, überprüfen und weiterentwickeln, um sich als politische Akteure für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft authentisch zu positionieren.
- Öffentlich Haltung zeigen: Unternehmen sollten ihre Unterstützung für demokratische Werte sichtbar machen, indem sie auf ihrer Website, in sozialen Medien und über Pressemitteilungen entsprechende Erklärungen veröffentlichen, sich an relevanten Kampagnen beteiligen und ihre Geschäftsführungen öffentlich für eine offene und demokratische Gesellschaft eintreten lassen. Das stärkt den Diskurs – besonders im Verbund und durch den Support von anderen, wenn es zu Kritik kommt! #EmployeeActivism
- Zur Wahlbeteiligung aufrufen: Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden zur Wahlbeteiligung ermutigen und ihr demokratisches Engagement, beispielsweise als Wahlhelfer*innen, unterstützen. Anstatt parteibezogene Wahlempfehlungen auszusprechen, sollte auf der Werteebene argumentiert werden.
- Demokratie im Unternehmen leben: Unternehmen sollten Partizipationsmöglichkeiten ausbauen, um die Mitarbeitenden in ihren Werthaltungen zu stärken. Außerdem lässt sich durch Corporate Volunteering gezielt die Zivilgesellschaft als Eckpfeiler der Demokratie stärken: Durch Volunteering bspw. bei Stiftungen oder politischen Organisationen wie z.B. Join Politics können sich Mitarbeitende mit ihrem Fachwissen einbringen.
- Politische Weiterbildungen: Unternehmen sollten Maßnahmen zur Förderung einer „Speak-up Culture“ ergreifen. Grundlage unserer Demokratie können in Workshops vermittelt, diskutiert und von ausgewählten Inhouse-Expert*innen ins Unternehmen getragen werden. Durch interne Diskussionsrunden und Workshops zu den Themen Vielfalt und Inklusion sollten Unternehmen außerdem den Austausch mit ihren Mitarbeitenden fördern, um gemeinsam ein besseres Verständnis für diese Prinzipien zu entwickeln und zu verankern. So erlebt das Team den politischen Purpose seiner Tätigkeit ganz hautnah – das motiviert und festigt die Verbindung zum Unternehmen.
Es gibt viele Gründe, warum Unternehmen sich für demokratische Werte stark machen sollten. Sie sind durch Lobbying bereits politische Akteure und haben durch ihre Ressourcen und das Vertrauen der Menschen das Potenzial, echte Veränderungen zu bewirken. Auch aus wirtschaftlicher Sicht haben Unternehmen ein Eigeninteresse an der Erhaltung der Demokratie. Vor der Europawahl haben viele deutsche Wirtschaftsunternehmen ihre Corporate Political Responsibility wahrgenommen und Initiativen zur Stärkung der Demokratie gestartet. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Einsatz fortzusetzen und zu erweitern.




Lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden und zur Bundestagswahl am 23. Februar aufrufen!
Was denkt ihr: Müssen sich Unternehmen politisch einsetzen? Und welche Strategien oder Beispiele findet ihr überzeugend?
Falls Sie nicht wissen, wie sie in Ihrem Unternehmen Corporate Volunteering oder Activism etablieren oder verbessern können, sprechen Sie uns an!