Jetzt erst recht – wie demokratisches Engagement im Umwelt- und Naturschutz gestärkt werden kann

Herausforderungen und Lösungsansätze in den ostdeutschen Bundesländern

Disclaimer: Wir nutzen im Folgenden die Bezeichnung „ostdeutsch“, um die geografischen Zielregionen der Recherche zu beschreiben: die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das Bundesland Berlin war nicht Teil der Analyse. Wir sind uns bewusst, dass dieses Label historisch gewachsen und mit negativen Zuschreibungen zwischen „Ost“ und „West“ verbunden sein kann. Wir distanzieren uns von diesen Zuschreibungen.

Von Leonie Schwichtenberg & Eva Schneider

Nur 7,2 Prozent der privaten Stiftungen haben ihren Sitz in den fünf ostdeutschen Bundesländern – und das über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung (vgl. Krimmer et al. 2022). Doch insbesondere im Jahr 2024, in dem Kommunal- und Landtagswahlen u.a. in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt stattfinden, rücken diese Regionen in den öffentlichen Fokus. Denn: „Der Raum für die demokratische Zivilgesellschaft in den ostdeutschen Bundesländern wird enger“, so der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland (2023). Vertreter*innen rechtsextremer Parteien erlangen politische Mandate, zivilgesellschaftliche Akteur*innen werden bedroht, öffentliche Finanzierungen ehrenamtlichen Engagements drohen zu versiegen.

Die Gründe für die sehr niedrige Anzahl von in ostdeutschen Bundesländern ansässigen Stiftungen sind vor allem historische: Stiftungen waren in der DDR unerwünscht und bis heute fehlt es an privatem Kapital (vgl. Guntenhöner, 2023). Dem steht jedoch eine lebendige Zivilgesellschaft gegenüber: Es engagieren sich 37 Prozent der Bevölkerung in den ostdeutschen Bundesländern ehrenamtlich. Zu den drei wichtigsten Engagementbereichen zählen Sport, Kultur und Musik sowie Freizeit (vgl. Krimmer et al. 2022).

Was können Stiftungen tun, um ehrenamtliche Akteur*innen gezielt zu unterstützen? Diese Frage haben wir uns im Auftrag der Umweltstiftung einer Unternehmerfamilie gestellt, die sich seit mehr als 20 Jahren im Arten-, Biotop, und Umweltschutz engagiert. Für die Stiftung haben wir das Förderumfeld im Umwelt-, Natur- und Artenschutz in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen analysiert. Unser Ziel: Die Bedürfnisse und Herausforderungen der lokalen gemeinnützigen Organisationen verstehen, Förderlücken identifizieren und konkrete Hebel für ein mögliches Engagement benennen. Hierfür führten wir qualitative Interviews mit Vertreter*innen von fördergebenden und fördernehmenden Organisationen im Umwelt-, Natur- und Artenschutz, die in den ostdeutschen Bundesländern aktiv sind. Darüber hinaus führte auch die Stiftung zahlreiche Gespräche mit weiteren Akteur*innen des Naturschutzes in den Zielregionen.

Vier besondere Gegebenheiten der ostdeutschen Bundesländer bilden den Kern der Analyse:

1. Aktives, aber kleinteiliges Engagement im Umwelt-, Natur- und Artenschutz

Durch die Verankerung der Umweltbewegung in der breiten Oppositionsbewegung der DDR hat Naturschutz bis heute einen festen Platz in der Engagementlandschaft. In den ostdeutschen Bundesländern engagieren sich 2,8-5,5 Prozent aller Freiwilligen im Umwelt-, Natur- & Tierschutz (Stand 2019, Vergleich Bundesgebiet: 4,7%, Krimmer et al. 2022). Die Wiedervereinigung brachte Brüche in der Zivilgesellschaft mit sich, was dazu führte, dass das Engagement heute stärker projektbasiert, informell und in weniger festen Strukturen organisiert ist als in ehemals westdeutschen Bundesländern. Dies trifft auch auf den Umweltschutz zu. Obwohl die Landesverbände des NABU und des BUND aktiv sind, liegt ein Großteil der Umweltschutzarbeit in den Händen kleiner Organisationen, einzelner Personen und informeller Initiativen, die kaum miteinander vernetzt zu sein scheinen. Darüber hinaus gibt es eine hohe Anzahl öffentlich finanzierter Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate, die jedoch begrenzt in den zivilgesellschaftlichen Sektor eingebunden sind.

2. Öffentliche Förderungen dominieren die Förderlandschaft

Da private Fördertöpfe durch Stiftungen historisch bedingt gering sind, haben öffentliche Förderungen eine sehr hohe Relevanz für engagierte Organisationen. Eine zentrale Rolle übernehmen die Landesstiftungen als Fördergeberinnen. Daneben fördern auch die Sparkassen- und Lottostiftungen auf regionaler Ebene Projekte im Umweltschutz. Ebenso wichtig sind Fördertöpfe des Bundes sowie der EU. Zu den wenigen privaten, überregional vernetzten und in allen ostdeutschen Bundesländern aktiven Förderern zählt die in Erfurt ansässige Naturstiftung David: Die Arbeit der Stiftung des BUND Thüringen zeichnet sich durch ihr breites Netzwerk und ihre fachliche Expertise aus. Zusätzlich verbinden Initiativen wie Aufwind von der Beisheim Stiftung und Drosos Stiftung sowie die neu gegründete Initiative Zukunftswege Ost private Förderstiftungen mit der Zivilgesellschaft.

3. Unkomplizierte, niedrigschwellige und schnelle Förderungen fehlen

Zivilgesellschaftliche Akteur*innen beschreiben die Antragsprozesse der öffentlichen Förderungen als zu bürokratisch und kompliziert. Den häufig geforderten Eigenanteil als Voraussetzung für eine öffentliche Förderung können sie oft nicht finanzieren. Sie benötigen finanzielle Unterstützung durch Kleinstförderungen, welche unkompliziert beantragt und schnell ausgezahlt werden können. Ebenso gebraucht werden Förderungen, die flexibel für Posten wie Personal oder Mieten einsetzbar sind. Dieses Problem spitzt sich in ländlichen Gebieten zu. Denn hier gibt es kaum Bürgerstiftungen mit entsprechenden Beratungsstellen, die engagierte Akteur*innen bei Förderanträgen unterstützen. Zudem führt die hohe Zahl informeller Initiativen zu einer weiteren Herausforderung: Ohne Gemeinnützigkeitsstatus sind sie von öffentlichen – und oft auch von privaten – Fördertöpfen ausgeschlossen.

4. Rechtsextreme Unterwanderung des Engagements im Naturschutz

Unsere Gespräche zeigen: Zivilgesellschaft hat auch eine „dunkle Seite“. Der Natur- und Umweltschutz wird von rechten und völkischen Gruppierungen genutzt, um menschenfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung zu verbreiten. Laut einer Umfrage des NABU aus dem Jahr 2022 waren bereits 80 Prozent der ostdeutschen NABU-Landesverbände von rechten Aktivitäten betroffen (NABU, 2022). Fördern aus der Ferne, d.h. ohne lokale Partner*innen wird so schnell riskant, da Antragssteller*innen Mittel für politische Zwecke missbrauchen können. Das heißt: Fördergeber*innen müssen antragstellende Organisationen sehr genau prüfen. Hier ist lokale Expertise gefragt, um Organisationen und ihre tatsächliche demokratische Einstellung einschätzen zu können.

  • Die Naturschutzjugend im NABU hat ein eigenes Präventionsprogramm gegen rechte Intervention gestartet Kein Blattbreit der Rechten. Die NaturFreunde und Naturfreundejugend haben eine gemeinsame Fachstelle für Radikalisierungsprävention im Naturschutz eingerichtet (FARN).
Initiative Aufwind
Die Initiative Aufwind setzt sich dafür ein, das Engagement von Förderstiftungen in Ostdeutschland voranzubringen.
Zukunftswege Ost
Die Initiative stärkt die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland durch privates Kapital und Kooperationsnetzwerke.
Kein Blattbreit der Rechten
Die Naturschutzjugend im NABU hat ein eigenes Präventionsprogramm gegen rechte Intervention mit klaren Handlungsstrategien gestartet.

Fazit: Glaubhaftes Stiftungsengagement braucht lokale Verknüpfung

Was also können private Stiftungen tun, um die engagierte demokratische Zivilgesellschaft im Umwelt- und Naturschutz in den ostdeutschen Bundesländern zu stärken? Zunächst: die eigene Haltung überprüfen. Grundvoraussetzung ist, dass insbesondere (westdeutsche) Stiftungen nicht in „den Osten“ kommen und versuchen, ihre Sichtweise durchzusetzen.

„Es kann nicht darum gehen, als westdeutsche Stiftung ,dem Osten‘ lehrmeistermäßig Demokratie beizubringen.“

Zitat aus einem Interview (2023) mit einer fördernden Organisation

Stattdessen ist entscheidend, dass sie sich durch lokale Präsenz oder die Zusammenarbeit mit passenden Partnern vor Ort glaubwürdig und langfristig engagieren. In einem vertrauensvollen Austausch, um miteinander zu lernen.

Das können Stiftungen jetzt tun:

  • (1) Niedrigschwellige, flexible und schnelle Förderung ohne Eigenanteil sowie einfache Mittelabrechnung anbieten
  • (2) Durch Ko-Finanzierung den Eigenanteil von öffentlichen Förderungen decken
  • (3) Informelle Initiativen ohne Gemeinnützigkeitsstatus fördern
  • (4) Den Fokus auf den strukturschwachen, ländlichen Raum legen
  • (5) Kompetenzen der lokal engagierten Akteur*innen im Umgang mit privaten Geber*innen stärken
  • (6) Lokal verankerte Fördergeber*innen und Netzwerke stärken und aufbauen, dabei auch Entscheidungsmacht abgeben
  • (7) Lokale Expertise nutzen, um Förderungswürdigkeit der Antragsteller*innen zu prüfen und Mittelvergabe an undemokratische Akteur*innen zu verhindern

Literaturhinweise

Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland (2023). Zum Stand der Deutschen Einheit. Bericht der Bundesregierung 2023.

Guntenhöner (2023). Im Osten was Neues. Stiftungswelt. 

Krimmer, Bischoff, Gensicke, Tahmaz (2022). Engagementförderung in Ostdeutschland. Stiftung Bürger für Bürger. Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

NABU (2022). Rechte Aktivitäten im Naturschutz. 

Rüttgers, Martin (2018). Die ‚dunkle Seite der Zivilgesellschaft‘. In: eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 02/2018 vom 13.07.2018.

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