Wirksam­keit in der Philan­thropie – Emelie Lambertz berichtet

Emelie hat von Januar bis April 2025 drei Monate als Praktikantin bei Wider Sense gearbeitet. Eine Motivation für das Praktikum war Emelies Interesse für das Thema Wirkung: Müssen philanthropische Projekte ihre Wirksamkeit immer nachweisen können? Wann kann man überhaupt von Wirkung sprechen? Bei Wider Sense hat sie Antworten auf diese Fragen gesucht – die sie jetzt mit uns teilt.

Meine gedankliche Ausgangslage: Nutzen sollte messbar maximiert werden

Zu Beginn meines Praktikums bei Wider Sense waren meine Gedanken zum Thema Wirksamkeit sehr vom Effektiven Altruismus – konkret von William MacAskills Werk Doing Good Better – geprägt. Ich war der Überzeugung, dass eine der wichtigsten Aufgaben der Philanthropie darin besteht, Wirksamkeit zu messen. Das Ziel: Finanzielle Investitionen daraufhin prüfen, wie sie am wirksamsten eingesetzt werden können. Dieses Streben nach Nutzenmaximierung deckte sich auch mit meiner Faszination für den Utilitarismus, der – grob gesagt – die Moral von Handlungen danach beurteilt, inwiefern sie das Wohlergehen aller Betroffenen maximieren. Meine gedankliche Ausgangslage konzentrierte sich also sehr auf die Verantwortlichkeit der Empfängerorganisationen, ihre Wirksamkeit unter Beweis zu stellen – seien es gemeinnützige Organisationen im Feld oder Beratungsorganisationen wie Wider Sense.

Die Anfangszeit: Viele Fragen und erste Erkenntnisse

In der Anfangszeit meines Praktikums hatte ich vor allem viele Fragen. Diese rankten sich noch weitestgehend um meine anfänglichen Überzeugungen. So überlegte ich, ob tendenziell das philanthropische Engagement von Unternehmen oder von Stiftungen wirksamer sei. Ich fragte mich auch, welche Arten von Stiftungen es gibt, welche Zwecke sie jeweils erfüllen und wie man Engagement in unterschiedlichen Bereichen zu einer Angabe der Gesamtwirksamkeit zusammenführen kann. In eigener Recherche sowie in Gesprächen mit meinen Kolleg*innen bei Wider Sense konnte ich einige Fragen beantworten und andere in sinnvollere Richtungen lenken. Im Austausch mit Karenina Schröder etwa durfte ich lernen, dass unter Wirksamkeit im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sehr unterschiedliche Dinge verstanden wurden und sie dementsprechend auch unterschiedlich (oder gar nicht) gemessen wurde. Fortan war der Effektive Altruismus für mich also nur noch einer von mehreren möglichen Ansätzen zum Thema Wirksamkeit. Auf Anregung von Eva Schneider, meiner Mentorin im Praktikum, ließ mich ein Artikel von Rob Reich über die ambivalente Rolle von Stiftungen in unserer Gesellschaft nachdenken: Ihr häufig plutokratischer Charakter scheint unvereinbar mit der Demokratie. Jedoch sind sie für letztere auch unabdingbar, weil sie (anders als Unternehmen und Regierungen) weniger wirtschaftlichem und politischem Druck ausgesetzt sind. Folglich können Stiftungen langfristiger fördern sowie ihre Aufmerksamkeit unterförderten Nischenbereichen widmen.

Einen Monat später: Erste Gedankenvorstöße zum Thema Wirksamkeit – Die Verantwortung der Fördernden und die Verhältnismäßigkeit von Wirksamkeitsmessung

Mit fortschreitender Zeit bei Wider Sense sammelte ich durch meine Arbeit in unterschiedlichen Projekten eigene Erfahrungen und damit neue Erkenntnisse. Mein Verständnis von Wirksamkeit wurde differenzierter. Zum einen lernte ich, dass sich wirksames Arbeiten auch auf der Seite der Geldgebenden zeigt – etwa in der Förderausschreibung. Damit gemeinnützige Organisationen ihre zeitlichen und personellen Ressourcen effizient nutzen können, gilt es, Förderanträge möglichst schlank zu gestalten und Auswahlverfahren zu staffeln. So verbrauchen die Antragstellenden weniger Zeit für Anträge, die sie am Ende nicht erhalten. Stattdessen können sie sich vielversprechenderen Anträgen oder der Umsetzung ihrer Projekte widmen. Zum anderen kann Wirksamkeitsmessung auch unverhältnismäßig in Bezug auf ihren Mehrwert sein. Dies gilt insbesondere, wenn ihre Umsetzung besonders aufwendig wäre und/oder es bereits Messungen aus ähnlichen Kontexten gibt. In diesen Fällen kann es ausreichen, die Plausibilität der Wirksamkeitsannahmen einer Maßnahme vor dem Hintergrund des vorhandenen Wissens zu überprüfen.

Heute: Mein neues Verständnis von Wirksamkeit in der Philanthropie

Wenn ich heute über Wirksamkeit in der Philanthropie nachdenke, kommen mir folgende Gedanken:

  1. Mit engagierten Organisationen, Fördernden, Wissenschaftler*innen und Politik über Wirksamkeit zu sprechen, legt den Grundstein für gute Philanthropie. In diesem Austausch werden unterschiedliche Verständnisse und Bedürfnisse in Bezug auf Wirksamkeit(smessung) sichtbar. So kann ein geteiltes Verständnis von Wirksamkeit entstehen, welches sich im Laufe der Zeit stetig weiterentwickeln wird.
  2. Neben Austausch ist auch Transparenz ein hohes Gut: Wann können Aussagen über Wirksamkeit getroffen werden und wann nicht? Dafür sollten engagierte Organisationen und Unternehmen ihren Blick immer wieder auf das IOOI-Modell (Input, Output, Outcome, Impact) richten. Nur mit Ehrlichkeit können Entwicklungspotenziale entdeckt und philanthropisches Engagement noch wirksamer gestaltet werden.
  3. Messbare Wirksamkeit ist nicht immer sinnvoll und notwendig: Nicht jedes neue Projekt muss seine Wirksamkeit zwingend unter Beweis stellen, wenn es genügend plausible Annahmen gibt, dass Wirksamkeit vorliegt. Wenn Wirksamkeitsmessung die Voraussetzung für Förderung ist, werden viele kleine, wichtige Projekte nicht bestehen können. Denn ihre Kapazitäten sind oft durch die Projektarbeit vollständig gebunden. Hier braucht es Vertrauen seitens der Fördernden.
  4. Wirksamkeit zeigt sich nicht nur in konkreten Projekten, sondern auch in der Förderlandschaft. Wirksam agieren bedeutet auch, …
    1. … Ausschreibungen sinnvoll und schlank zu gestalten, um die zeitlichen Ressourcen der Antragstellenden zu schonen.
    2. … langfristig zu fördern, damit die Grantees – also die begünstigten Organisationen – Planungssicherheit haben. Nur so können sie die Verlässlichkeit ihrer Arbeit sicherstellen und ihre personelle Expertise langfristig weiterentwickeln.
    3. … frei (projektungebunden) zu fördern, damit die Grantees auch in ihre Strukturen investieren und so ihr Bestehen sichern können. Hier ist Vertrauen erneut ein wichtiges Stichwort: Meist wissen die Grantees selbst am besten, wofür sie ihr Geld ausgeben sollten.

Zu meinem Ausgangsgedanken, dass finanzielle Ressourcen stets daraufhin geprüft werden sollten, wie sie am wirksamsten eingesetzt werden können, denke ich jetzt: In einer derartigen Philanthropie-Landschaft würde ich selbst nicht gerne arbeiten und leben. Ein solches Vorgehen ist weder bürokratisch leistbar noch der Weg, um tatsächlich die höchste Wirksamkeit zu erzielen. Denn auch durch fortwährende Wirksamkeitsmessung gehen zeitliche Ressourcen verloren, die anderswo sinnvoller investiert sind.

Am Ende liefert auch die Initiative #VertrauenMachtWirkung Antworten auf viele meiner Fragen. Gegenseitiges Vertrauen lohnt sich und ist der Grundstein für wirksames Handeln. Bei Wider Sense habe ich dies jeden Tag gespürt. Die Arbeitspraxis ist ein gegenseitiges Händereichen ohne oben und unten – jede*r Mitarbeiter*in wird für seine/ihre unterschiedliche Expertise geschätzt und gebraucht. Wie schön, dass ich hier meinen Einstieg ins Berufsleben machen durfte!

Emelie Lambertz
Emelie hat an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Bachelor und Master of Education die Fächer Bildungswissenschaften, Englisch, Französisch und Philosophie studiert. Mit dem Wunsch, außerhalb des Schulsystems wirksam tätig zu werden, fand sie im Januar 2025 zu Wider Sense.
Mentoring bei Wider Sense
Eva Schneider und Emelie Lambertz im Gespräch zu aufkommenden Fragen während des Praktikums in der Hauseigenen Bibliothek

Fragen zum Praktikum beantwortet gerne: