Wider Sense: Fünf Jahre Social-Impact-Beratung zwischen Innovation und Zusammenarbeit
Ein Interview mit Blick zurück und nach vorne
Im Jahr 2018 legten Michael Seberich und Stephan Dorgerloh während einer Autofahrt auf dem Highway Nr. One den Grundstein für Wider Sense. Fünf Jahre später blicken die Gründer auf eine Reise voller Herausforderungen, Erfolge und bedeutender Begegnungen zurück. Im Interview erzählen sie, wie aus einer Idee ein etabliertes Unternehmen wurde, welche Werte ihr Team und ihre Arbeit prägen und welche Visionen sie für die Zukunft haben.
Wie kam es zu der Gründung von Wider Sense?
Stephan Dorgerloh (SD): Unsere letzten Termine in Kalifornien hatten wir am Freitag, eine letzte Konferenz sollte erst am Sonntag beginnen. Da dachten wir uns: Warum nicht mit einem Mietwagen von San Francisco nach San Diego fahren?
Michael Seberich (MS): Genau, wir waren in Kalifornien, um mit Stiftungen zu Innovationen im Bereich der Bildung zu sprechen, und beschlossen den Highway Nr. One entlang der Pazifikküste entlangzugefahren – auf dem Weg zu einer internationalen Konferenz für Bildung in der digitalen Gesellschaft in San Diego.
SD: Während dieser langen Autofahrt hatten wir viel Zeit, uns auszutauschen. Michael hatte nach vielen Jahren bei Beyond Philanthropy Lust auf etwas Neues, und auch ich wollte nach meiner Zeit in der Politik nochmal etwas anderes anpacken. Irgendwann fragte ich: „Lass uns doch mal überlegen, ob wir was zusammen machen“. Das war die Initialzündung für Wider Sense. Damals wussten wir noch nicht, wie das Unternehmen heißen oder funktionieren würde.
Geschätzte Fähigkeiten: Welche Fähigkeiten schätzt ihr an dem anderen und wie trefft ihr gemeinsam Entscheidungen?
SD: Wir gehen regelmäßig spazieren, manchmal gehen wir auch essen oder sitzen bei mir im Garten und überlegen, wie es weitergeht.
MS: Ja, so machen wir das – immer wieder. Es ist wichtig sich auszutauschen, das geht gar nicht anders – sowohl geschäftlich als auch privat.
SD: Wir besprechen Dinge, die gerade anstehen: Wie es weitergeht, unsere Vorstellungen, wo es hingehen kann. Wir hinterfragen uns selbst, geben uns Feedback oder reflektieren Dinge, die wir aus dem Team hören oder wahrnehmen. Das ist die Grundlage, auf der Wider Sense steht. Unsere Lebensläufe sind sehr unterschiedlich – hier kommen zwei verschiedene Welten fruchtbar zusammen. Wir versuchen, diese Unterschiedlichkeit anzuerkennen und ins Unternehmen einzubringen. Wir wissen um unsere Stärken und Schwächen und nutzen sie gezielt für Kund*innen, Themen und Team.
MS: Das zeigt sich nicht nur in unseren Biografien – auch charakterlich sind wir unterschiedlich. Stephan kann zum Bespiel viel schneller Entscheidungen treffen als ich. Ich brauche oft ein paar Schleifen mehr.
SD: Das hat aber auch Vorteile. [lacht] Wir sind gut damit gefahren, unsere Unterschiedlichkeit zu leben, und gleichzeitig stimmen wir in wichtigen Fragen immer überein. Wir hatten nie Meinungsverschiedenheiten, die uns wirklich Nerven gekostet hätten. Wir haben einfach versucht, die Perspektive des anderen als Reichtum wahrzunehmen. Wir haben auch Dinge gewagt – manches ging schief, vieles war erfolgreich.
Mentor*innen und glückliche Begegnungen: Gab es beim Aufbau von Wider Sense andere Personen, die euch ermutigt und begleitet haben?
MS: Es gab viele, die uns ermutigt haben, sowohl aus dem Stiftungssektor als auch aus dem Bildungsbereich. Winfried Kneip war ein wichtiger Akteur in den ersten Jahren, mit dem wir viel zusammengearbeitet haben. Das war auch die Geburtsstunde unserer Wider Sense Expert Group: Das sind Personen aus unserem weiteren Umfeld, die uns ermutigt haben und mit denen wir uns in regelmäßigen Abständen zu wichtigen Trends und zu unseren Themenfeldern nachhaltige Wirtschaft, gute Bildung, gesunde Umwelt und gerechte Gesellschaft reflektieren und austauschen.
SD: Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass wir anfangs ein sechsköpfiges Team waren – ein reiner ‚Frauenladen‘ mit zwei Männern an der Spitze. Vor vier Jahren (2020) hatten wir dann das große Glück, Ulrike Sommer als Kultur- und Bildungsexpertin und parallel Karenina Schröder mit ihrer großen Expertise im Bereich der internationalen NGO- und Wirtschaftslandschaft zu gewinnen. Beide als Teil der Leitung zu integrieren war ein Glückstreffer.
Teamspirit: Was macht euer Team heute besonders stark? Was schätzt ihr an ihm?
SD: Ich glaube, wir vertrauen den Menschen sehr schnell und trauen ihnen auch einiges zu. Das zeichnet unser Team aus. Hier sind die Personen nie nur in einem Job, sondern sie interessieren sich für Themen, für Veränderungsprozesse und wollen etwas bewegen. Sie spüren die Wirksamkeit ihres Handelns. Deshalb sind Projekte für uns nicht nur Jobs. Ich erlebe, dass sich die Kolleginnen und Kollegen im Team für solche Projekte begeistern lassen – wir wollen etwas bewegen.
MS: Es ist nicht nur der ökonomische Erfolg, der mich stolz macht. Es geht mir vor allem um die Entwicklung der Mitarbeitenden und die Wege, die sie danach einschlagen. Das zeigt mir, dass sie in unserer Organisation etwas Wertvolles gelernt haben, das sie weitertragen können. Für mich steht fest: Ohne das Team wäre ich sehr aufgeschmissen. Gemeinsam haben wir viel gelernt. Seitdem wir mehr als zehn Personen sind, können wir Aufgaben besser aufteilen. Früher haben alle alles gemacht, was ziemlich intensiv und herausfordernd war. Hier zeigt sich: Es ist viel wert ein Team zu haben, in dem die Mitarbeitenden wirklich gut fortgebildet sind und neue Perspektiven einbringen. Es macht einfach Spaß, in diesem Team zu arbeiten. Es ist eine andere Art, etwas zurückzugeben – nicht nur durch gute Arbeit mit den Kundinnen und Kunden, sondern auch durch die Entwicklung unserer engagierten Mitarbeiter*innen.
Ihr hattet schon die Gelegenheit mit zig Stiftungen, Unternehmen und Behörden zusammenzuarbeiten. Gibt es noch so einen Traumkunden oder ein Projekt auf eurer persönlichen Bucket List?
SD: Es gibt immer noch einige große Stiftungen, bei denen wir strategisch viel erreichen könnten.
MS: Ich würde es großartig finden, wenn wir von amerikanischen Stiftungen noch stärker wahrgenommen werden würden. Das wäre auch für das Team ein Signal: Wir sind eine Organisation, die, auch wenn sie klein ist, international aufgestellt ist.
SD: Wir sind keine Beratung, die darauf wartet, dass irgendwas passiert, oder die Portale nach Ausschreibungen scannt. Wir entwickeln eigene Ideen, wie zum Beispiel die Initiative #VertrauenMachtWirkung. Oder das Startup Stiftung Wirkungsanteil mit Tom Josczok. Noch relativ jung ist das Stiftungsnetzwerk zu Bildungsgerechtigkeit. Das sind Ideen, die wir in die Landschaft setzen, wo wir wesentliche Impulse setzen, die wir etwas in unserer Arbeit erkennen. Manchmal entwickeln wir daraus auch Texte, Bücher, Beiträge oder eben komplette Initiativen.
Stichwort skurrilste Orte und besondere Begegnungen: Was war der ungewöhnlichste Ort, den ihr durch eure Arbeit besucht habt?
MS: Da fällt mir als erstes Wason Island der Breuninger Stiftung ein. Das ist eine Insel in den Muskoka-Seen in Ontario, wo wir wiederholt für deutsche und kanadische Stiftungen moderiert haben. Ich konnte in den ersten zwei Jahren von Wider Sense dorthin reisen, und das war für mich etwas ganz Besonderes.
SD: In der Anfangszeit von Wider Sense haben wir Erkundungsreisen für die Bildungslandschaft gemacht – nach Singapur, Kanada, Finnland und in die USA. Ein weiteres Highlight war für mich das Education World Forum in London, wo Menschen aus der ganzen Welt zusammenkamen und wir viel Netzwerkarbeit für das Nationale Bildungsforum leisten konnten. Ich war auch zwei Monate in New York bei der Wallace Foundation. Oder wir hatten die Möglichkeit, in Washington bei Foundations on the Hill dabei zu sein, wo Stiftungen aus den USA im Repräsentantenhaus und im Senat mit Politikerinnen und Politikern sprechen. Wir hatten dort ein Treffen mit Jack Schumer im Capitol – das war schon beeindruckend. Als Politiker wäre ich dort nicht hingekommen. Dass solche Erfahrungen möglich sind, ist klar auf Wider Sense zurückzuführen.
Geburtstagswünsche für Wider Sense: Was wünscht ihr euch für die nächsten 5 Jahre?
SD: Wir wünschen uns, die Stärken, die wir für Wider Sense einbringen, weiterhin zu nutzen und gleichzeitig Wider Sense weiterzuentwickeln. Und Zeit für ein, zwei neue Initiativen im Bildungsbereich.
MS: Ich persönlich hätte gerne irgendwann mal mehr Zeit zum Nachdenken und Schreiben, um einige unserer Projekte zu reflektieren und die Geschichten dazu zu erzählen. Mein Buch Das neue Corporate Social Mind hat mir gezeigt, dass wir mehr sind als eine klassische Strategieberatung.
SD: Und wir werden uns weiterhin neu aufstellen. Ein Geburtstag ist immer eine gute Gelegenheit, zu schauen, wo es neu hingehen kann und wie wir die nächste Generation in Führungsaufgaben einbinden und unsere Beratung damit auch stärken können. Das wird sicher der Fokus der nächsten Jahre sein.
Gibt es noch etwas, was ihr abschließend sagen möchtet?
MS: Ja, unbedingt. Wir möchten uns herzlich bei unserem großartigen Team bedanken – sowohl bei den aktuellen Mitarbeitenden als auch bei allen, die uns auf unserem Weg begleitet haben. Eure Leidenschaft und euer Engagement sind das Herz von Wider Sense – DANKE!
SD: Ein großes Dankeschön geht auch an unsere Expert Group, die uns stets mit wertvollem Rat und Unterstützung zur Seite steht. Ohne euch wären manche blinden Flecken un-aufgedeckt geblieben und eure Impulse helfen Wider Sense und unseren Kund*innen, noch wirksamer zu werden.
In Anlehnung an den Podcast der ZEIT „Alles gesagt?“ wollen wir euch zum Schluss 15 A-oder-B-Fragen stellen – lasst uns loslegen: