Ukraine-Krieg: So spenden Unternehmen wirksam

So helfen Unternehmen wirksam mit einer Spende: Der Krieg gegen die Ukraine hat binnen weniger Tage zur humanitären Katastrophe historischen Ausmaßes geführt. Selten war die Spendenbereitschaft der deutschen Unternehmen größer. Jedoch wissen viele nicht, wie und womit sie Unterstützung leisten können: Was spende ich an wen? Wie beziehe ich meine Mitarbeitenden ein? Was kommt wirklich an? Karenina Schröder arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der und für die Zivilgesellschaft. Im Interview fasst sie zusammen, wie Unternehmen sinnvoll helfen können.

Karenina, wie spenden Unternehmen wirksam für die Ukraine? Was fragen Dich die Unternehmer*innen, die Dich gerade anrufen?

Karenina Schröder: Sehr oft läuft es auf dieselben zwei Fragen hinaus: Welche der vielen Spendenaufrufe soll ich unterstützen? Was genau muss mein Unternehmen dabei beachten? Der Ukraine-Krieg ist anders als beispielsweise die Flut vom letzten Juli, eine vollkommen neue Krisensituation.

Sollten Unternehmen denn sofort helfen oder noch warten? Wir wissen ja, dass die Hilfsbereitschaft leider mit der Zeit abnimmt.

Karenina Schröder: Die humanitäre Katastrophe ist unfassbar groß und sie ist jetzt da. Soforthilfe wird dringend benötigt. Aber ja, Krisen verschwinden schneller aus den Medien als sie überwunden sind. Wer nachhaltig helfen will, stellt am besten schon jetzt ein Budget für mittelfristige Hilfe ein. Die Antwort ist also einfach: Beides. Jetzt und später helfen.

In welcher Form sollten Unternehmen Hilfe leisten?

Karenina Schröder: Aktuell ändert sich die Lage vor Ort stündlich. Hilfsorganisationen müssen ihre Unterstützung ständig den neuen Gegebenheiten anpassen. Deshalb sollten die Spenden nicht an einen bestimmten Zweck gebunden sein. Überdies sind Geldspenden grundsätzlich hilfreicher als Sachspenden, weil sie flexibler sind und damit in der sich schnell verändernden Lage passgenauer eingesetzt werden können.

Welche Organisationen sollten unterstützt werden. Worauf müssen Unternehmen achten?

Karenina Schröder: Zunächst gilt es, die großen humanitären Organisationen, wie das International Rescue Committee, UNHCR, Rotes Kreuz oder Save the Children zu unterstützen. Nur sie können in der nötigen Geschwindigkeit, Umfang und Professionalität helfen, wie es jetzt geboten ist. Sie liefern dringend benötigte Nahrung, Decken, Medikamente, Hygieneartikel etc. Sie retten Menschen aus den Trümmern, stellen beheizte Zelte auf und helfen beim Erhalt von Strom- und Wasserversorgung.

Unterstützen sollte man aber auch die vielen kleinen, lokalen Organisationen, die in den letzten Jahren eine ungewöhnlich lebendige Zivilgesellschaft in der Ukraine aufgebaut haben: zum Beispiel Menschenrechtlerinnen, kritische Journalisten, Naturschützerinnen oder Kulturschaffende. Sie haben viel für die Entwicklung ihres Landes getan und nutzen jetzt ihre Netzwerke und Ortskenntnisse, um zu helfen, wo es geht: bei der Erstversorgung, auf der Flucht, aber auch durch objektive Berichterstattung gegen russische Propaganda oder durch kulturelle Angebote. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Unterstützt werden sie seit vielen Jahren unter anderem durch das Prague Civil Socitey Centre.

Schließlich gibt es eine Reihe von Organisationen in Deutschland, die jetzt helfen, die Geflüchteten aufzunehmen, sie medizinisch zu versorgen, Unterkünfte zu organisieren, Übersetzungen oder psychosoziale Hilfe anzubieten.

Kommen die Spenden der Unternehmen denn auch an?

Karenina Schröder: Leider gibt es unter den Organisationen, die jetzt um Spenden werben auch viele unseriöse Trittbrettfahrer, die die aktuelle Hilfsbereitschaft ausnutzen. Gemeinsam mit dem Haus des Stiftens und Particulate haben wir daher den „Nothilfefonds Ukraine“ für Unternehmen ins Leben gerufen. Hier finden sie seriöse Organisationen aus allen oben genannten Bereichen, an die Unternehmen unkompliziert und sicher spenden können.

Wie funktioniert der Nothilfefonds?

Karenina Schröder: Im Prinzip kann man sich das wie ein Vermittlungs- und Check-Portal vorstellen. Alle Organisationen sind überprüft. Es gibt die üblichen großen Organisationen, aber auch sehr gute kleine, zu denen ich als Unternehmen allein nur schwer Kontakt herstellen kann. Das Haus des Stiftens sorgt für eine professionelle administrative Abwicklung. Als Unternehmen suchen sie sich aus, wen sie unterstützen wollen, legen den Betrag fest und drücken auf „Spenden“. Uns war wichtig, dass das jetzt vor allem einfach, unkompliziert und schnell geht.

Also sollten Unternehmen diesen neuen Hilfsfonds jetzt bevorzugt benutzen?

Karenina Schröder: Wir treten nicht in Konkurrenz zu anderen Organisationen. Es ist ein zusätzliches Angebot, das es Unternehmen leicht macht, einen Überblick zu bekommen und schnell, wirksam zu helfen. Wenn Unternehmen über eigene Kanäle verfügen oder direkt an einzelne große Organisationen spenden wollen, ist das genauso gut.

Wie binde ich meine Mitarbeitenden gut ein?

Karenina Schröder: Berichten Sie über Ihr Engagement intern und extern. Geben Sie Mitarbeitenden die Möglichkeit, ebenfalls zu spenden. Das haben wir zum Beispiel beim Nothilfefonds Ukraine so eingerichtet. Oder sagen Sie zu, dass jede Spende vom Unternehmen noch einmal verdoppelt wird. Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmen oder Prominnenten, die das bereits vormachen.

Überlegen Sie auch, welche Volunteering-Aktivitäten sinnvoll sind: In den Aufnahmeländern wird jetzt umfassende Hilfe von Freiwilligen gebraucht. Kurz und langfristig kommt hier viel Arbeit auf unsere Gesellschaft zu. Alle relevanten Stellen gehen schon jetzt davon aus, dass die Anzahl an Geflüchteten auch in Deutschland die der Jahre 2015 und 2016 übertreffen wird. Und wenn Sie Mitarbeitende in der Ukraine oder angrenzenden Staaten haben, bitten Sie diese um Vorschläge, wen sie ggf. vor Ort noch unterstützen können.

Alle raten derzeit von Sachspenden ab. Wo sind diese dennoch sinnvoll?

Karenina Schröder: Sachspenden von Unternehmen sind nur dann hilfreich, wenn es um große Mengen an Medizin, medizinischem Gerät oder Spenden zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur geht wie z. B. die Bereitschaft von Elon Musk, der Ukraine Internet-Zugang über sein Starlink-Satelliten-Netzwerk zur Verfügung zu stellen.

Sofern es sich um physische Güter handelt muss vorab geklärt werden, was genau gebraucht wird und dass es an Organisationen geht, die über die nötige Logistik und lokalen Netzwerke verfügt, um sie ins Land und dort sinnvoll zum Einsatz zu bringen.

Unternehmen können auch Hilfe in Form von Dienstleistungen anbieten, über die sie aufgrund ihres Kerngeschäftes verfügen. So unterstützt Microsoft die Ukraine bei der Abwendung von Cyber Attacken, Airbnb unterstützt bei der Vermittlung von Unterkünften für Geflüchtete, Eversheds Sutherland bieten pro bono Rechtsberatung oder Accenture digitale Gesundheitsservices. Hier ist es am sinnvollsten, wenn Unternehmen sich an ihr Kerngeschäft halten und das spenden, worin sie ohnehin gut sind. Wir haben uns zum Beispiel dafür entschieden, Unternehmen genau bei diesen Fragen zu helfen. Wenn Sie Fragen haben rufen Sie uns deshalb gern an. Die Spendenbereitschaft der Unternehmen und Menschen ist großartig. Wir freuen uns, wenn wir einen kleinen Beitrag dazu leisten können, das das Richtige bei den Richtigen ankommt.

Hand in den Farben der ukrainischen Flagge hält eine Miniatur der Ukraine, Foto Credits: Elena Mozhvilo, unsplash.com
Foto Credits: Elena Mozhvilo, unsplash.com
Karenina Schröder, Wider Sense GmbH
Karenina Schröder

Nothilfefonds Ukraine

Mit einem speziell eingerichteten Nothilfefonds helfen Unternehmen und ihre Mitarbeitenden den Menschen vor Ort sowie Geflüchteten schnell und direkt. Der Nothilfefonds unterstützt ausgewählte, große und kleine Non-Profit-Organisationen, die sich mit großem Engagement und Wirkung für die Menschen aus und in der Ukraine engagieren. Die Spende Ihres Unternehmens erreicht die Organisationen ohne Umwege und kommt gleich mehreren Projekten zugute. Der Nothilfefonds ist ein gemeinsames Projekt von Haus des Stiftens, Particulate und Wider Sense.

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Kontakt

  • Karenina Schröder
    ist Mitglied der Geschäftsleitung von Wider Sense. Sie arbeitete mehr als 20 Jahre in und für die Zivilgesellschaft, unter anderem als Vorstand von Transparency International Deutschland.

    info@widersense.org

    T +49 (0)30 240 88 240