Partnerschaften auf Augenhöhe? Das Verhältnis zwischen Förderern und ihren Empfängerorganisationen

Notes from the Field #2/2017

Partnerschaften auf Augenhöhe? Das Verhältnis zwischen Förderern und ihren Empfängerorganisationen

Notes from the Field“ in weniger als 100 Wörtern:

  • Eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Gebern und ihren Empfängerorganisationen eröffnet die Chancen, die Effizienz der geförderten Programme zu steigern und soziales Wirken nachhaltig zu gestalten.
  • Eine Organisationskultur, die auf Respekt und Wertschätzung beruht, klare Zuständigkeiten und transparente Prozesse bilden die Basis einer gelingenden Partnerschaft.
  • Instrumente wie regelmäßige Treffen und Telefonkonferenzen, anonyme Feedbackformate, Partnerbefragungen oder die Einbindung der Empfängerorganisationen in die Governance-Struktur der Förderer bieten Möglichkeiten, diese Partnerschaft aktiv zu formen.

Wir danken Felix Dresewski, Geschäftsführer HIT-Stiftung, für die vielen hilfreichen Anregungen für diese Ausgabe der „Notes from the Field“.

„Partnerschaften auf Augenhöhe? Das Verhältnis zwischen Förderern und ihren Empfängerorganisationen“ wurde von Lea Buck und Eva Schneider, Beyond Philanthropy Praktikantin von März 2017 bis einschließlich Mai 2017, verfasst.

Förderer und Empfänger

Diese Ausgabe der „Notes from the Field“ befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Gebern und ihren geförderten Einrichtungen. In der täglichen Arbeit bei Beyond Philanthropy kommt es immer wieder zu Situationen, in denen dieses Verhältnis als schwierig wahrgenommen wird oder tatsächlich angespannt und von gegenseitigem Unverständnis geprägt ist. Die Ursachen hierfür fasst das folgende Zitat des Philanthropieberaters Richard Marker gut zusammen: „[T]ypically, funders really do mean well and violate ethical standards more out of naiveté or innocence“.(1) Oder anders formuliert: Viele Geber wissen es nicht besser. Deshalb ist es wichtig, diese (nicht neue) Debatte auch weiterhin aktiv zu gestalten. Dafür gibt es gute Gründe: Eine Kooperation auf Augenhöhe eröffnet die Chancen, die Effizienz der geförderten Programme zu steigern und soziales Wirken nachhaltig zu gestalten. Die vorliegende Ausgabe unserer „Notes from the Field“ stellt verschiedene Instrumente vor, mithilfe derer Geber und ihre geförderten Einrichtungen ihre Partnerschaft partizipativer gestalten können. Damit greifen wir einen Teilaspekt des weiten Feldes „Partizipative Förderansätze“ auf und konzentrieren uns auf das Verhältnis zwischen Förderern und ihren Empfängereinrichtungen.(2)

In einem ersten Schritt wird die Beziehung zwischen Geber- und Empfängereinrichtungen näher bestimmt, um daraufhin die Voraussetzungen zu erläutern, die die Basis eines positiven Verhältnisses bilden. Anschließend werden konkrete Instrumente vorgestellt, die die Teilhabe der geförderten Organisationen auf der operativen Ebene stärken.

Eine Partnerschaft auf Augenhöhe?

In der Realität des philanthropischen Sektors beschreibt das Konzept der Partnerschaft auf Augenhöhe einen erwünschten, aber oft nicht erreichten Idealzustand. Misstrauen und Interessenkonflikte prägen zu oft das Verhältnis zwischen fördernden Einrichtungen und ihren Empfängerorganisationen. Manche Geber planen, ohne ihre Partner einzubeziehen. Empfänger fühlen sich gegängelt, wenn sie ständig über ihre Aktivitäten berichten sollen oder sie hinterfragen die Sinnhaftigkeit komplexer Wirkungsdokumentationen, die sie von ihrem Tagesgeschäft abhalten und mitunter fürs Abheften verfasst werden. Auf Seiten der geförderten Organisationen herrscht zudem viel Unsicherheit:

Wie geht es weiter mit der Förderung? Was soll ich wie kommunizieren? Um die Finanzierung nicht zu riskieren, werden Probleme und Herausforderungen oft nicht angesprochen.

Gemeinsamer Erfolg

Eine Studie der Grantmakers for Effective Organizations (GEO) zeigt, dass ein offenes Verhältnis zwischen Stiftungen und ihren Empfängerorganisationen zum Erfolg der gemeinsamen Projekte beiträgt. Unterschiedliche Formen des Feedbacks fördern diese positive Beziehung. Trotzdem holten sich laut einer Befragung im Jahr 2014 nur 53% der Förderer Feedback von ihren Empfängerorganisationen ein (aber immerhin: 2008 waren es nur 36%).(3)

Dabei verfolgen Förderer und Empfängerorganisationen ein gemeinsames Ziel. Ihr Handeln soll gesellschaftlichen Wandel anstoßen, Lösungen für soziale Ungleichheiten oder ökologische Herausforderungen bieten. Im Idealfall kooperieren beide Seiten in einer Partnerschaft, die trotz des strukturellen Machtgefälles (eine Partei vergibt Mittel, die andere braucht Mittel) auf Offenheit und Vertrauen beruht. Es ist im Interesse beider Akteure, diese Partnerschaft in der Praxis mit Leben zu füllen. Auf welchen Werten und Strukturen ein positives Verhältnis basieren sollte, wird im Folgenden beschrieben.

Eine respektvolle Grundhaltung

Eigentlich sollte jeder Förderer wissen, dass es die zentrale Funktion von zivilgesellschaftlichen Organisationen ist, an der Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen zu arbeiten. Ihre wichtigste Aufgabe besteht nicht darin, den Spender zufrieden zu stellen. Das bedeutet nicht, dass fördernde Einrichtungen keine hohen Ansprüche an ihre Empfänger stellen dürfen. Sie sollten jedoch erklären, warum ihnen gewisse Aspekte so wichtig sind. Eine gute Wirkungsmessung kann die geförderten Organisationen z.B. viel Zeit kosten. Richtig genutzt, bietet sie jedoch einen hohen Mehrwert. Sie kann Möglichkeiten zur Verbesserung der geförderten Programme aufzeigen und die Legitimität der Arbeit sowohl intern als auch extern erhöhen. Ein respektvoller Umgang beinhaltet in der konkreten Zusammenarbeit daher viele kleine, grundlegende Schritte. Es beginnt damit, dass Förderorganisationen und Absprachen untereinander ernst genommen werden. Allen Lesern, die sich über solch selbstverständlich scheinende Hinweise wundern, sei die Active Philanthropy Publikation „So bitte nicht – Wie es in der Beziehung zu den Geförderten garantiert nicht klappt“ empfohlen.(4)

Klarheit – und es menschelt…

Um einen offenen Austausch zu ermöglichen, ist es notwendig, klare Ansprechpartner festzulegen und transparente Prozesse zu definieren. Das beginnt bereits vor einer Förderung. Ob und wie ein Antrag gestellt werden kann, lässt sich mit geringem Aufwand transparent darstellen und erleichtert beiden Seiten die Arbeit. Antragsteller profitieren, wenn sie von fördernden Einrichtungen eine klare Rückmeldung zu ihren Anträgen erhalten, auch wenn keine Förderung zustande kommt.(5) Zukünftige Empfänger sollten von Anfang an in die Planung angedachter Projekte, die sie schlussendlich umsetzen sollen, einbezogen werden.

Klare Ansprechpartner sollten nicht nur vorhanden sein, sondern auch gut im Umgang mit Empfängerorganisationen geschult werden. Eine Publikation vom Center for Effective Philanthropy (CEP) zeigt, dass geförderte Einrichtungen ihre Geberorganisationen vor allem an der Qualität der persönlichen Zusammenarbeit mit dem für sie zuständigen Ansprechpartner messen. Die Tätigkeiten, Ansätze und Reputation der Förderer allgemein sind nicht ausschlaggebend.(6) Eine weitere Voraussetzung für die gelingende Partnerschaft auf Augenhöhe bildet die Organisationskultur der Gebereinrichtungen. Die besten Prozesse zum gegenseitigen Austausch geraten zur Farce, wenn Offen­heit, Kritikfähigkeit und das Eingestehen von Fehlern nicht wertgeschätzt werden.

Offene und direkte Kommunikation ermöglicht Gebern, ihre Bereitschaft zur Unterstützung eindeutig zu sig­nalisieren. Wir kennen Geber, die gutmeinend und offen ihren geförderten Einrichtungen gegenüber sind, ihren Willen zu zusätzlichem Engagement jedoch nicht ausreichend kommunizieren. Empfänger wissen daher oft nichts von der versteckten Kooperationsbe­reitschaft auf Seiten ihrer Förderer. Der Geber bleibt eine Blackbox, zu der sie keinen Zugang finden. Im schlimmsten Fall sind am Schluss beide Seiten ent­täuscht: Der Förderer wundert sich, warum er nichts hört und die geförderte Organisation ist irritiert, dass keine Nachfragen gestellt werden.

Instrumente zur Umsetzung der Partnerschaft

Eine respektvolle Grundhaltung, klare Zuständigkei­ten, transparente Prozesse und eine offene Organisa­tionskultur bilden die Basis einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Gebern und ihren Empfängerein­richtungen. Es sind die Voraussetzungen, auf denen die folgenden ausgewählten Instrumente aufbauen sollten. Dies sind Beispiele dafür, wie eine Partner­schaft konkret ausgestaltet werden kann.

Es sind drei Bereiche zu unterscheiden, in denen Emp­fänger durch ihre Geber einbezogen werden:

  • Konkrete Projektebene
  • Themenexpertise
  • Projektübergreifende Strategiefragen

Abb. 1 zeigt, dass die meisten Instrumente für alle drei Bereiche relevant sind.

Treffen und Telefonkonferenzen:

Manche Geber organisieren Treffen oder Telefonkon­ferenzen, an denen verschiedene geförderte Organisa­tionen teilnehmen. Sie können sich mit Fragen an den Förderer wenden, aber auch untereinander austauschen. Es gibt Formate, bei denen alle Empfänger über Pro­grammgrenzen hinweg zusammenkommen und solche, die einen inhaltlichen Fokus setzen.

Bei Beyond Philanthropy haben wir gute Erfahrungen mit Treffen gemacht, bei denen sich geförderte Orga­nisationen, die zum selben Thema arbeiten, mit dem Förderer zusammensetzen. Dies hat den Austausch der geförderten Organisationen untereinander deut­lich verstärkt und sogar zu gemeinsamen Projekten geführt. Andere Geber und Empfänger berichten dage­gen, dass ideologische Gräben so ausgeprägt sein können, dass sie nicht immer einen Mehrwert in sol­chen Treffen sehen.

Praxisbeispiel: Equitable Growth

Anonyme Feedbacktools:

Bei einigen Stiftungen kann man jederzeit anonymes Feedback hinterlassen. Manche Geber haben eine Art „digitalen Kummerkasten“ auf ihrer Website. Je nach Tool variieren die Funktionen.

Praxisbeispiele: Peery Foundation (siehe Kasten), Effective Altruism Foundation

Systematische anonyme Befragungen:

Auch hier gibt es verschiedene Formate. Das CEP er­stellt Grantee Perception Reports und hat bereits über 50.000 Empfängerorganisationen von 190 Stiftungen anonym befragt. In Deutschland hat das Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI) bis dato zweimal eine ähnliche Partnerbefragungen durchge­führt. Hierbei handelt es sich um eine systematische anonyme Befragung, die einen Vergleich mit anderen Stiftungen ermöglicht. Beyond Philanthropy führt ebenfalls anonyme Partnerbefragungen durch, die sich auf konkrete Fragestellungen und anstehende Stratgieentscheidungen unserer Kunden fokussieren. Förderer profitieren vor allem dann von einer syste­matischen Partnerbefragung, wenn das Portfolio so groß ist, dass die Anonymität der Empfängereinrich­tungen gewahrt bleibt und eine gewisse statistische Validität gegeben ist. Auch der Zeitpunkt ist wichtig: Die von Beyond Philanthropy angebotenen Formate sind besonders relevant für Geber, die einen Strate­gieprozess durchlaufen oder unmittelbar vor einem solchen Prozess stehen.

Praxisbeispiele: HIT-Stiftung (siehe Kasten), William and Flora Hewlett Foundation

GOVERNANCE:

Während Geber häufiger in Gremien geförderter Organisationen vertreten sind, ist der umgekehrte Fall oder die Berufung eines formellen Beirats aus dem Kreis der Empfängerorganisationen selten. Die Einbindung der Empfängereinrichtung in Gremien überträgt dieser einerseits einen hohen Grad an Mitbestimmung, u.a. in strategischen Fragen. Andererseits besteht das Risiko, dass Interessenkonflikte entstehen.

Praxisbeispiel: Bewegungsstiftung

Kein Patentrezept

In einer Partnerschaft auf Augenhöhe sind beide Parteien gefragt. Aufgrund des strukturellen Machtgefälles sollten jedoch die Geber den ersten Schritt machen, um aktiv ein partnerschaftliches Verhältnis zu gestalten.

Nicht jedes der vorgestellten Instrumente ist dabei zu jedem Zeitpunkt einer Zusammenarbeit zweckmäßig. Ob und wann sie die Beziehung zwischen Gebern und Empfängern tatsächlich verbessern, ist vom Kontext jeder bewilligten Förderung sowie von den Profilen und Bedürfnissen der beteiligten Akteure abhängig.

Da die Datenlage in Deutschland begrenzt ist, sind keine umfassenden, datenbasierten Aussagen zur aktuellen Situation in Deutschland möglich. Die US-amerikanischen Zahlen und unsere Erfahrung in der Beratungspraxis deuten darauf hin, dass sich die Sensibilität für einen partnerschaftlichen Umgang in den letzten Jahren insgesamt verbessert hat. Aber es gibt noch viel Luft nach oben. Daher ist es wichtig, dass diese Sichtweise weiterhin verbreitet wird.

Wir möchten alle Geber ermutigen, dass sie sich überle­gen, ob es nicht Bereiche gibt, in denen sie den Dialog mit ihren Empfängerorganisationen verbessern könnten.

Sollten Sie an Möglichkeiten interessiert sein, Ihre Arbeit oder Fördertätigkeit partizipativer zu gestalten, freuen wir uns über einen Austausch. Beyond Philanthropy hat bereits viele Auftraggeber bei der Schaffung von Voraussetzungen, die Partnerschaften auf Augenhöhe ermöglichen, sowie bei der Umsetzung konkreter In-strumente unterstützt. Dazu zählen z.B. das Aufsetzen von Prozessen, die Organisation und Begleitung von Austausch- und Netzwerkformaten sowie systemati­sche anonymisierte Befragungen.

1: Richard Marker (2015): Becoming a Philanthro-Ethicist. In: W ise Philanthrophy (http://wisephilanthropy.com/becoming-a-philanthro-ethicist/1367).

2: An anderer Stelle wäre interessant zu erörtern, welche Chancen die Einbindung der Zielgruppe sozialen Engagements in die philanthropische Arbeit bietet. Die 2013 veröffentlichte Studie, entstanden in Zusammenarbeit von Active Philanthropy mit Children for a better World e.V., erörtert diese Frage am Beispiel von Kinderbeiräten in Stiftungen. Die Studie ist online abrufbar unter: http://www.children.de/ fileadmin/user_upload/JH__Download-Bereich/Studie_Kinderbeiraete_in_Stiftun­gen_2013.pdf.

3: McCray, J. (2014): Better Relationships, Better Results. In: Stanford Social Innovation Review (https://ssir.org/articles/entry/better_relationships_better_re­sults). Für den deutschen Sektor sind leider keine aktuellen vergleichbaren Zahlen verfügbar. Unsere Erfahrungen zeigt jedoch, dass der Anteil der Fördereinrichtungen, die Feedback von ihren Empfängerorganisationen einholen, in Deutschland deutlich niedriger einzuschätzen ist.

4: Die Publikation „So bitte nicht – Wie es in der Beziehung zu den Geförderten garantiert nicht klappt“ von Active Philanthropy (2011) versammelt weitere Beispiele aus der philanthropischen Praxis über das oft schwierige Verhältnis zwischen fördernden Einrichtungen und ihren Empfängerorganisationen. Online abrufbar unter: http://activelibrary.org/cms/upload/downloads/So_bitte_nicht.pdf.

5: Der Programmbereich Children Jugend hilft! des Children for a better World e.V. nutzt dieses Feedbackformat für ausführliche Rückmeldungen zu den eingereichten Unterlagen aller Antragsteller. Das Format wird sehr positiv bewertet: 89% der Bewerber betrachten das Feedback als hilfreich für die weitere Projektarbeit. Children for a better World e.V. (2016): Wirkungsorientierter Bericht 2015 – Jugend hilft! (http://www.children.de/fileadmin/user_upload/JH__Download-Bereich/JugendHilft_ WOB_2015.pdf).

6: The Center for Effective Philanthropy (2013): Working Well With Grantees (http:// effectivephilanthropy.org/wp-content/uploads/2014/01/TheGuide.pdf).