Aus zwei mach‘ eins: die doppelte Herausforderung für gemeinwohlorientierte Start-ups

Die neue Start-up Strategie des Bundeswirtschaftsministers Habeck bietet die Chance, das Verständnis von Innovation im deutschen Gründungssektor zu verändern. Denn sie adressiert auch gemeinwohlorientierte Unternehmensgründungen. Auch wenn Mensch und Umwelt vor drängenden Herausforderungen stehen: Dass es neue Produkte und Services im ökologischen und sozialen Bereich gibt, wurde bislang kaum bedacht. Die Start-up Strategie greift diese Erkenntnis auf und könnte damit ein Treiber für mehr Nachhaltigkeit sein.

Ein Beitrag von Anna Wolf

Robert Habeck will mit der neuen Start-up Strategie Defizite am Standort Deutschland für Unternehmensgründungen beseitigen. Ihr Ziel ist es, das volle Potenzial des Gründungssektors zu erschließen und Deutschland damit zu mehr Innovation zu verhelfen. Auf 28 Seiten wird dargelegt, um was es geht: Mehr Finanzierungskapital, leichtere Mitarbeitergewinnung, Frauenförderung, besserer Zugang zu Daten und Gründungen digitaler machen, sind nur einige Beispiele der insgesamt zehn Punkte.

Die Strategie erkennt das Potential von Social Impact Start-ups

Interessant wird es bei Punkt Nummer sechs. Dort heißt es „Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups verbessern“. Die Tatsache, dass sogenannte Social Businesses in der Strategie auftauchen, ist ein wichtiges Zeichen. Denn es zeigt: Sozialunternehmen haben ein zu großes positives Potential für die Gesellschaft, als dass man sie vernachlässigen kann. Doch es geht noch weiter. Habeck´s Plan sieht vor dass die Bundesregierung sogar eine eigene Strategie zum sozialen Unternehmertum beschließen wird. Diese soll gemeinsam mit Vertreter*innen des Sektors entworfen und umgesetzt werden.

Das ist ein positiver Schritt. Und ein schon lange überfälliger. Denn bislang stehen Social Businesses vor einer doppelten Herausforderung: Erstens kämpfen sie mit denselben Hürden wie konventionelle Start-ups. Und zweitens stehen sie vor dem Problem, dass ihre Renditeerwartungen geringer ausfallen als bei konventionellen Geschäftsmodellen.

Was gemeinwohlorientierte Start-ups jetzt brauchen

Genau diesen Punkt greift das Strategiepapier auf. Dort heißt es, dass passende Finanzierungsinstrumente entwickelt werden sollen. Gelungen ist dieses Vorhaben, wenn in Zukunft ein breiter Finanzierungsmix aus passender Gründungs- und Wirtschaftsförderung für Sozialunternehmen nutzbar wird. Denn sie benötigen meist weniger, aber dafür „geduldigere“ externe Finanzierungsmittel als andere innovative Gründungen. Am traditionellen Kapitalmarkt finden sie daher kaum Investor*innen.

Als weitere Maßnahmen möchte die Bundesregierung die Sichtbarkeit von Sozialunternehmen fördern. Hier wäre es ideal, wenn es eine breitangelegte Informationsoffensive geben würde. Ein Effekt wäre nämlich, dass in der breiten Öffentlichkeit die Innovationskraft jenseits der digital getriebenen Gründungen deutlich gemacht würde. Und genau das brauchen soziale Unternehmen.

Ein Mann steht mittig auf der einer Straße im Wald, mit je einem Fuß auf einer Fahrbanlinie, Foto: Luke van Zyl, unsplash.com
Gemeinwohlorientierte Start-ups unterlaufen die gleichen Schwierigkeiten wie konventionelle Gründungen, stehen aber zusätzlich vor dem Problem, dass sie grundsätzlich weniger Einnahmen generieren als kommerziell ausgerichtete Geschäftsmodelle. Foto: Luke van Zyl, unsplash.com.
Tom Josczok
Geschäftsführer und Co-Founder der Stiftung Wirkungsanteil - Impact Shares Foundation

Die Pläne der neuen Startup Strategie klingen vielversprechend und machen Hoffnung. Um gemeinwohlorientierte Lösungen zu pushen, braucht es flexiblere Finanzierungsmöglichkeiten und mehr Aufmerksamkeit für das Potenzial gesellschaftlicher Innovationen. Hierfür müssen weiterhin mehr Brücken zwischen „klassischen“ Gründungen und Social Startups entstehen.

Aber es gibt noch einen Hebel, den die Bundesregierung einsetzen könnte: Die Vergabepraxis bei öffentlichen Ausschreibungen anpassen. Wenn neben dem Preis, ökologische und soziale Kriterien eine stärkere Rolle spielen, könnten Sozialunternehmen häufiger öffentliche Aufträge akquirieren. Auf diese Weise könnte der öffentliche Sektor in gewissem Umfang einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.

Als letzte Maßnahme heißt es im Strategiepaper, sollen Inkubatoren für gemeinwohlorientierte Start-ups gefördert werden. Es gibt zwar bereits eine Reihe an Meta-Social Businesses, z.B. Social Impact Labs, FASE oder Ashoka. Aber dennoch würde ein Ausbau sich lohnen, denn ähnlich wie bei der Finanzierung können Social Entrepreneurs auch bei den Netzwerken wieder nur auf ein deutlich kleineres Ökosystem zurückgreifen als konventionelle Gründerinnen und Gründer. Das wiederum schmälert ihre Chancen auf Erfolg und Wachstum.

Die Bundesregierung schlägt mit ihrer Start-up Strategie den richtigen Weg ein – aber sie muss ihn auch gehen

Es bleibt abzuwarten, was am Schluss konkret aus der Start-up Strategie umgesetzt wird. Aber wenn sie ihren Kernelementen treu bleibt, dann werden zukünftig mehr nachhaltige Ideen eine Chance auf Umsetzung haben. Und vielleicht bringt es die Sozialunternehmen einen Schritt dahin näher, dass sie in absehbarer Zukunft nicht mehr vor einer doppelten, sondern wie alle anderen nur vor einer Herausforderung stehen. Diese ist schwer genug, wenn man bedenkt, wie viele Start-ups scheitern. Und dennoch braucht es sie. Denn große gesellschaftliche Herausforderungen erfordern innovativen Gründungsgeist.

Auch für Start-ups, die kommerziell erfolgreich sein und schnell wachsen wollen, gibt es eine Möglichkeit sich gesellschaftlich zu engagieren:

Stiftung Wirkungsanteil

Stiftung Wirkungsanteil – Impact Shares Foundation bietet eine einfache Lösung mit Gamechanger-Charakter: Das Unternehmen übertragt 1% seiner Anteile (als VSOP) an die Stiftung. Bei einem erfolgreichen Exit werden die Erlöse in soziale und gemeinnützige Zwecke investiert. Dabei haben die Gründer*innen die Möglichkeit, über die jeweiligen Partnerprojekte mitzuentscheiden. So können Start-ups bereits zu einem frühen Zeitpunkt für den eigenen Social Impact sorgen.

Kontakt

  • Anna Wolf
    ist Senior Consultant bei Wider Sense. Sie berät seit 10 Jahren internationale Unternehmen zur Strategieentwicklung und Umsetzung von CSR. Zuvor gründete sie ein Start-up im Nachhaltigkeitsbereich und arbeitete in der Politikberatung als Referentin der Friedrich-Ebert-Stiftung.

    wolf@widersense.org