Thesenpapier Nationales Bildungsforum - Wittenberg 2023

Lehrerkräftemangel als Chance - das 6. Nationale Bildungsforum hat angesichts dieser spannungsgeladenen Stimmung die Frage gestellt, ob der Lehrkräftemangel nicht auch eine Chance für Veränderungen im Bildungssystem sein könnte, die der Misere mindestens mittelfristig abhelfen.

Lehrkräftemangel als Chance!

Der Lehrkräftemangel stellt unsere Schulen vor massive Probleme. Er betrifft in unterschiedlicher Schärfe alle Bundesländer und Schulformen sowie die Mehrzahl der Fächer. Die Bildungspolitik hat reagiert: Tausende Seiteneinsteiger ohne pädagogische Ausbildung wurden rekrutiert, Ausbildungszeiten gekürzt, Unterrichtsdeputate erhöht und Lehrpläne ausgedünnt. Gleichzeitig wurden Anreize für den Beruf (höhere Bezüge, Ausweitung des Beamtenstatus) erhöht. Auch wenn diese Maßnahmen vor einiger Zeit noch schwer vorstellbar waren, reichen sie nicht aus. Weiterhin werden jedes Jahr Tausende Lehrkräfte fehlen. Alle Verantwortlichen wissen das. Was nicht allen klar ist: In dieser Notlage stecken auch große Chancen.

Auf dem 6. Nationalen Bildungsforum am 13. und 14. September in Wittenberg wurde der Frage nachgegangen, ob nun dringend benötigte Reformen endlich einen Schub bekommen? Welche Denkverbote können wir uns angesichts der Krise nicht mehr leisten? Darüber haben 80 Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis, Politik und Verwaltung, von Stiftungen sowie Medien in der Lutherstadt Wittenberg diskutiert.

Dem Forum wurde erstmals ein Workshop mit 12 Schulleitungen vorangestellt. Diese haben drei Handlungsfelder identifiziert:

  1. Schule als „mittelständisches Unternehmen“ – Schulverwaltungen müssten sich zu Unterstützungssystemen entwickeln
  2. Neudefinition des Lehrerberufs – Freiräume für Kooperationen zwischen Lehrkräften und anderen an Schule tätigen Professionen schaffen
  3. Lernen neu denken – an den Herausforderungen der Zeit orientierte Lerninhalte

Aus den Diskussionen lassen sich 9 Thesen ableiten: Sie offenbaren Chancen, wie der Lehrerkräftemangel abgemildert und Schule gleichzeitigt verändert werden kann.

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Der Lehrkräftemangel wird den deutschen Schulalltag noch mindestens zehn Jahre lang belasten. Die für Schule Verantwortlichen sollten sich nicht damit begnügen, kurzfristig Löcher zu stopfen, sondern mit Mut und Fantasie die Chancen für Reformen ergreifen, damit die Qualität im Schulsystem steigt.

Wider Sense übernimmt, im Auftrag der Education Transfer Forums gGmbH (ETF), das Projektmanagement des Nationalen Bildungsforum. Das Forum wird mit freundlicher Unterstützung der Deutsche Telekom Stiftung, Joachim Herz Stiftung und Robert Bosch Stiftung ausgerichtet.

9 Thesen – 9 Chancen

  • These 1: Neu-Verteilung der Arbeit in deutschen Schulen: flexibler, gerechter, stärker an den tatsächlichen Aufgaben orientiert.
  • These 2: Schüler*innen brauchen vielfältigere Lernzeiten. Schule ist nicht per se dann gut, wenn vor jeder Klasse ein Lehrer steht.
  • These 3: Die Digitalisierung bietet bei der Flexibilisierung der Lehr- und Lernzeiten große Chancen, sowohl für das Selbstlernen der Schüler*innen als auch für kooperative Lernformen.
  • These 4: Schule braucht eine neue professionelle Vielfalt in multiprofessionellen Teams, dass die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule erhöht.
  • These 5: Quer- und Seiteneinsteiger sind ein Gewinn und es muss ihnen leichter gemacht werden, in der Schule anzukommen.
  • These 6: Verzahnung und Kooperationen mit anderen Lernorten wie Schülerlabore, Vereine, Bibliotheken, Museen, Betriebe…
  • These 7: Schulleitungen sollten, wo möglich, mehr Freiheit und Kompetenzen bei der Auswahl und Führung des Personals haben.
  • These 8: Bessere Kooperation zwischen Schulen, Schulverwaltung und Schulträgern und eine serviceorientierte und qualitätssichernde Schulaufsicht.
  • These 9: Ungleich muss ungleich behandelt werden für eine chancengerechte Schule.

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